Smart Service Design als iterativer Prozess

von Bernhard Steimel
11. Dezember 2017

Ein Auszug aus dem neuen Praxisleitfaden „Internet der Dinge“, der kostenlos zum Download zur Verfügung steht.


Explore: Smart Services entdecken

Am Anfang des Prozesses, der zu einem Smart Service oder einem Smart Product führt, steht die Idee des Geschäftsszenarios. Hierzu müssen im Portfolio des Unternehmens Produkte und Services entdeckt werden, die sich für die digitale Transformation eignen oder die digital vollkommen neu entworfen werden.

Aus dieser empirischen Bestandsaufnahme der Ressourcen eines Unternehmens können nun Ideen für innovative Produkte und Services gebildet werden. Dabei sollen aber keine Ideen am „grünen Tisch“ entstehen oder „von oben“ durch das Topmanagement durchgesetzt werden. Entscheidend ist dagegen eine starke Kundenzentrierung, damit sich die Ideen an den Wünschen und Bedürfnissen der Nutzer des Smart Service orientiert.

Smart Services machen Kunden glücklich

„Die Grundfrage ist ganz einfach: Womit kann ich den Endkunden glücklich machen?“ (Conrad Rentsch, IBM) Die Entwicklung eines Smart Service ist kein Selbstzweck, sie muss immer von einem konkreten Bedarf der Kunden ausgehen. Besonders die folgende Frage ist wichtig: Wodurch kann der Aftersales-Service relativ schlank gestaltet werden, sodass nicht unbedingt ein Service-Mitarbeiter sofort oder regelmäßig beim Kunden erscheinen muss. Im Anschluss an diese Grundüberlegung sollte das Unternehmen Probleme identifizieren, die mit digitalen Technologien gelöst werden können.

Die in Startups und IT-Unternehmen erprobte Methode des Design Thinking ist das Werkzeug, mit dem Ideen in einem offenen, kreativen Prozess gefunden werden können. Das Konzept verwirklicht einen etwas spielerischen, experimentellen Ansatz, der sich sehr gut zur Ideengenerierung eignet. Dabei wird in gemischten Teams gearbeitet, zu denen nicht nur Mitarbeiter unterschiedlicher Fachbereiche gehören, sondern in vielen Fällen auch Kunden.

PaketButler – Innovatives Produkt dank Design Thinking

Ein Beispiel für einen erfolgreichen Innovationsprozess mit Design Thinking ist der der PaketButler, eine intelligente Paket-Box, die die Deutsche Telekom seit einiger Zeit vertreibt. Diese Box kann am Morgen vor der Wohnung platziert und mit einer entsprechenden Funktion gesichert werden. Der Paketbote öffnet die Box mit einer App und legt das Paket hinein. Der Kunde wird per App informiert, dass sein Paket da ist.

Auch das komplizierte Retourenproblem ist gelöst: Der Kunde kann das Paket am nächsten Tag wieder in die Box legen und dem Paketboten per App mitteilen, dass es abgeholt werden soll. Das Entwicklungsteam hat im Vorfeld die Kundenbedürfnisse systematisch erhoben, den physischen sowie digitalen Prototypen entwickelt und das Ergebnis in Testmärkten erprobt. Es wurde anschließend aufgrund der Anwenderreaktionen weiterentwickelt und nach etwa zehn Monaten begann die Produktion.

https://youtu.be/Zqo11E9eSjQ

Smart Service Design als iterativen Prozess starten

Die Gestaltung von smarten Services und Produkten sollte nicht wie ein klassischer Wasserfallprozess gestaltet werden. Das Team arbeitet auf agile Weise und kontrolliert sich immer wieder selbst: Verfolgen alle Teammitglieder noch das richtige Ziel? Das Smart Service Design erfolgt im Rahmen von Design Thinking in sechs Prozessschritten:

„Die ersten drei Schritte heißen Verstehen, Beobachten und Synthese. Sie sind der Problemraum und ermöglichen die Antwort auf die Frage: Welches Problem will ich eigentlich lösen? Die letzten drei Schritte heißen Ideen, Prototypen und Testen. Sie sind der sogenannte Lösungsraum und beantworten die Frage: Welche Lösung passt zum beschriebenen Problem?“ (Pauline Tonhauser, DesignThinkingCoach)

Der erste Schritt („Verstehen“) ist die Definition des Problems, das in IBM-Terminologie „Hill“ genannt wird. Darunter ist ein ausformuliertes Ziel zu verstehen, das im Design-Thinking-Prozess erreicht werden soll. Anschließend wird das Problem aus der Sicht von verschiedenen „Personas“ (Kundentypen) analysiert. Das Smart Service Design schaut immer auf die drei folgenden Grundfragen: Wo sind tatsächlich Probleme? Wo sind Bedürfnisse? Wo gibt es aktuell Schwierigkeiten? Von da aus entwickelt sich dann die Service-Idee mit dem Ziel, dass der Service anschließend wirklich smart ist und funktioniert.

Smart Service Design als iterativer Prozess

Kundenzentriert Anforderungen definieren

Im Entwicklungsprozess wird nicht danach gefragt, was im Unternehmen geändert werden muss. Im Vordergrund stehen stattdessen Überlegungen, wie dem Endkunden geholfen werden kann. Dazu müssen Unternehmen analysieren, welche Fähigkeiten sie haben und sie den Kundenwünschen zuordnen. Erst auf diesem Weg kommen sie zu kundenzentrierten Anforderungen, die mit digitalen Technologien umsetzbar sind. Diese Denkweise ist dabei für viele Unternehmen neu und ungewohnt. Für diese Methode ist eine etwas spielerische Arbeitsweise mit Postits und Zeichnungen typisch. Ergänzt wird dies durch eine offene Kommunikationskultur, bei der niemand vorne steht und einen Monolog hält.

Alle betroffenen Mitarbeiter beteiligen

Für die einfache Zusammenarbeit auf Augenhöhe nutzt beispielsweise IBM sogenannte Design Studios – europaweit verteilte Räumlichkeiten, in denen in angenehmer und kreativer Atmosphäre gearbeitet werden kann. So ist es möglich, jeden Mitarbeiter, der mit dem Problem zu tun hat, tatsächlich am Prozess zu beteiligen – etwa, weil sie die Produkte und Lösungen später verkaufen oder betreuen müssen. In vielen Unternehmen ist diese interaktive Zusammenarbeit und Kommunikation über mehrere Hierarchie-Ebenen hinweg ungewöhnlich. Deren Mitarbeiter sind es im Normalfall nicht gewohnt, Meinungen zu äußern, die als wichtig und richtig eingeschätzt werden.

„Bei einem unserer Kunden haben wir das gesamte Topmanagement, aber auch den Fieldservice eingeladen. Dadurch waren auch Mitarbeiter beteiligt, die letztlich mit der Lösung arbeiten. Das hat natürlich erhebliche Aha-Effekte erzeugt, weil hier plötzlich Leute mit dem CEO zusammensaßen und gearbeitet haben, die ihn sonst nur von Fotos kennen.“ (Conrad Rentsch, IBM)

Interaktiv Ideen finden

Der große Vorteil der Ideenfindung mit strukturierten Methoden: Sie können nicht nur in einem Workshop eingesetzt werden, sondern führen weiter in die eigentliche Produktentwicklung sowie die endgültige Bereitstellung der Lösung. Es wäre widersinnig, zunächst die Ideenfindung interaktiv zu gestalten, anschließend aber wieder traditionelle, nicht-interaktive Methoden einzusetzen, um die Lösung in den Markt einzuführen. Workshops eignen gut sich zur Entdeckung von Ideen, die dann zu einem wichtigen Bestandteil eines sehr viel längeren Prozesses der Digitalisierung und agilen Transformation werden.

In den entsprechenden Workshops können die Unternehmen vergleichsweise schnell Digitalisierungsinitiativen generieren – ein typischer Zeitraum sind vier bis acht Wochen. Bei einem Kunden konnte IBM innerhalb weniger Wochen gut 30 Ideen generieren, von denen anschließend einige in Projekten verwirklicht wurden. Anschließend sollte das Unternehmen ein interdisziplinäres Digitalisierungsteam ins Leben rufen.

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