Wird eine große Menge an Daten (Big Data) miteinander verknüpft, entsteht Smart Data. Aus Smart Data lässt sich Wissen generieren. Das wiederum ist die Basis für neue Geschäftsmodelle. Big Data wird also zu Smart Data veredelt und in neuen, individuell kombinierbaren Smart Products und Smart Services monetarisiert. Es erschließen sich also jenen neue Geschäftsmodelle, die es verstehen, das immense Potenzial der Datenmenge innovativ zu nutzen.
„Whatever can be digitized is digitized“
Und wenn diese digitalen Daten genutzt und vor allem neu kombiniert werden, ergeben sich disruptive Geschäftsmodelle. Jedes Unternehmen – von Beratungsunternehmen für die Analyse und Nutzung von Smart Data, über produzierende Unternehmen bis hin zu ausschließlich datengetriebenen Dienstleistern – kann von Smart Data profitieren und neue Geschäftsmodelle etablieren. Auch für KMU wird die Nutzung von Diensten und Softwaresystemen in Zukunft ermöglicht, die momentan aufgrund der heutigen Lizenz- und Geschäftsmodelle noch nicht finanzierbar sind.
Smart Products, Smart Services
Smart Products sind mit Sensoren ausgestattete und internetfähige Produkte. Durch ihre Fähigkeiten, Daten zu sammeln, zu analysieren, zu versenden und zu empfangen, werden sie intelligent. In naher Zukunft werden intelligente Produkte:
- Aufgaben selbständig ausführen und mit anderen Dingen kommunizieren
- sich eigenständig anpassen, um den Nutzerbedürfnissen bestmöglich zu genügen
- sich selbständig updaten
- ihre laufenden Kosten eigenständig senken, sich optimieren und ihre Produktivität erhöhen
- Gefahren oder Ausfälle antizipieren und proaktiv agieren
Wenn die Produkte Daten sammeln können, also smart sind, können Unternehmen ihren Kunden Mehrwerte über den eigentlichen Produktnutzen hinaus anbieten. Zusätzliche Serviceleistungen (value added services), also Smart Services, entstehen. Geschäftsmodelle beschränken sich folglich nicht mehr nur auf eine reine Produktorientierung, sondern sind zusätzlich daten- und servicegetrieben. Als Folge bieten sich zahlreiche Anknüpfungspunkte für neue, bisher unbekannte Geschäftsmodelle.
Bei Smart Services steht der Nutzer im Mittelpunkt, da dank Smart Data ein personalisiertes Kundenerlebnis und ein individueller Service möglich werden. Service-Innovation wird in Zukunft also an Relevanz gewinnen, was Accenture passend ausdrückt:
„Every product is a service waiting to happen. (…) Designing with data in mind. (…) Achieving continual service change.“
Smart Service-Anbieter benötigen ein umfassendes Verständnis des Nutzers, seiner Verhaltensweisen und Ansprüche. Mithilfe von Smart Data lassen sich Kundenwünsche antizipieren und befriedigen, bevor der Nutzer selbst von ihnen weiß. Dieser Wechsel von produkt- zu nutzerzentrierten Geschäftsmodellen verlangt ein Umdenken, vor allen in traditionellen Unternehmen. Unternehmen, die wettbewerbsfähig bleiben und die Chance des IoT nutzen möchten, müssen also proaktiv ihre Geschäftsmodelle überarbeiten oder u.U. sogar selbst disruptiv handeln.
Klöckner handelt disruptiv
Der Stahlhändler KLÖCKNER & CO weiß das Thema IoT und Industrie 4.0 zu nutzen und spielt lieber selbst den disruptiven Zerstörer, bevor es jemand anderes tut: Chef Gisbert Rühl (55) hatte sein persönliches Erweckungserlebnis im Silicon Valley. Dort erkannte er, wie der digitale Fortschritt dem Geschäftsmodell von Klöckner gefährlich werden könnte.
Rühl tat sich daraufhin mit der Berliner Consultant-Firma Etventure zusammen. Die analysierte erst einmal die Kundenwünsche, um anschließend neue Tools zu entwickeln – alles binnen drei Monate. Nach herkömmlicher Methode „hätten wir anderthalb Jahre gebraucht“, sagt Rühl. Jetzt will er Stahl online verkaufen. In einer sehr traditionsbehafteten Branche ein echtes Novum.
Die Vision: Am Ende der Reformkette soll eine gemeinsame Stahlhandelsplattform stehen, die Daten von Lieferanten und Kunden enthält und über die der intelligente Stahlträger irgendwann selbst seinen eigenen Nachschub ordert. Klöckner selbst will der Organisator der Plattform sein und damit auf ein neues Geschäftsmodell setzen.
Vor allem die Frage nach der Value Proposition und den Prozessen der Wertschöpfung muss infrage gestellt und überarbeitet werden. Auch die Relevanz von dynamischen Geschäftsnetzwerken und Kooperationen wird zunehmen, da Branchengrenzen mehr und mehr aufbrechen. Bisher branchenfremde Unternehmen können zudem zu starken Wettbewerbern werden.
Datengetriebene Geschäftsmodell-Muster
Ralph Hofman und Arent van’t Spijker von BlinkLane Consulting haben fünf „Data-driven Business Model Patterns“ auf Basis von Osterwalders/Pigneurs bekanntem Business Model Canvas identifiziert. Wie für alle Geschäftsmodellmuster gilt, dass sie sowohl in ihrer idealtypischen Form, als auch kombinatorisch umsetzbar sind.
Muster 1: Basis-Data-Sales
Hierbei verkauft ein Unternehmen Daten, die sowieso bei der Leistungserstellung anfallen, an andere Unternehmen. In der Regel werden die Daten roh, also unverarbeitet (u.U. jedoch anonymisiert) verkauft. Es handelt sich um das simpelste Muster.
Eine Bank bietet ihren Kunden (A) ein Girokonto an und sammelt Transaktionsdaten. Die Bank kann nun (anonymisierte) Daten an Dritte (B), z.B. Einzelhändler verkaufen, damit diese aus den Kundendaten wertvolle Erkenntnisse zum Konsumentenverhalten schließen können. Die Bank fügt ihrem bestehenden Angebot „Girokonto für Bankkunden“ also ein neues Leistungsangebot (Kundendaten) für eine neue Kundengruppe (an den Kundendaten interessierte Einzelhändler) hinzu.
Muster 2: Product Innovation
Hierbei werden Daten genutzt, die durch den Kauf und die Nutzung eines Produkts generiert werden, um ein neues Produkt oder eine Ergänzung zum Originalprodukt anzubieten. Es lassen sich somit komplett neuartige Produkte herstellen oder bestehende verbessern. Vor allem Ersteres kann zu einer innovativen Value Proposition führen, wobei sich auch bisher fremde Kundengruppen erschließen lassen.
Eine Bank kann ihren Online-Banking-Service erweitern, indem sie ein „Haushaltsausgaben-Dashboard“ anbietet. Dieser Service kann erst dank aus Kundendaten gewonnener Erkenntnisse entwickelt und gegen eine geringe Gebühr zusätzlich zum bestehenden Online-Banking vom Kunden (A) wahrgenommen werden. Durch die Nutzung beider Dienste werden diese wiederum – mithilfe von Datenanalyse – permanent weiterentwickelt. Das Dashboard ist auch losgelöst von einem Bankkonto dieses Instituts nutzbar. So können es auch Kunden anderer Banken verwenden, um ihre Ausgaben besser im Blick zu behalten (B).
Muster 3: Commodity Swap
Hierbei werden durch den Kauf oder die Nutzung eines bestehenden Handelswaren-Produkts (oder eines Services) Daten generiert, die wiederum verwendet werden, um ein neues, komplementäres Produkt anzubieten – das untrennbar mit dem bestehenden verknüpft ist – und sich somit von der Konkurrenz zu differenzieren.
Ein Energieversorger (X) bietet Stromverträge an. Diese Verträge beinhalten auch die Installation von „Smart Meters“, die den Stromverbrauch messen. Durch diese Daten kann der Stromanbieter zusätzlich ein „Smart Thermostat“ anbieten, das den Stromverbrauch nutzungsadäquat regelt.
Muster 4: Value Chain Integration
Hierbei tauschen verschiedene Unternehmen Daten aus, um Kosten zu senken oder ihre Wertschöpfungsaktivitäten zu optimieren.
So können bspw. ein Supermarkt (X) und ein Getränkelieferhandel (Y) mithilfe von Echtzeitdaten ihren Bedarf genau berechnen und die Lieferung (automatisiert) aufeinander abstimmen.
Muster 5: Value Net Creation
Bei diesem Muster arbeiten mehrere Unternehmen zusammen, um ein identisches Kundenbedürfnis zu befriedigen und ein optimiertes Nutzenerlebnis zu gewährleisten. In der Regel wird bei dieser Kooperation ein identisches Kundensegment bedient. Jedes Unternehmen ist somit Teil eines „Value Creating Systems“ und übernimmt quasi einen Teilaspekt einer großen Wertschöpfungskette. Es werden also verschiedene Geschäftsmodelle unterschiedlicher Unternehmen durch Zusammenarbeit kombiniert.
Bucht ein Fluggast (A) bei einer Airline (Y) einen Flug, werden die Daten an einen Datenverarbeiter (Z) weitergeleitet, der die Bedürfnisse des Fluggastes erkennt und diese an eine Hotelkette (X) sendet. Zimmer dieser Hotelkette können bei der Buchung des Fluges dann direkt mitangeboten werden.