Dr. Roman Friedrich: „Der Mittelstand liebt die Krise“

von Bernhard Steimel
25. Mai 2023
Digitalisierung im Mittelstand - Interview

Der deutsche Mittelstand kämpft mit steigenden Kosten und Margendruck, sagt Dr. Roman Friedrich, Partner & Managing Director bei der Boston Consulting Group (BCG). Doch solche Situationen schaffen Freiraum für die Entwicklung der Digitalisierung im Mittelstand und der Schaffung neuer datengetriebener Geschäftsmodelle.

Dieses Interview ist ein Auszug aus dem „Trendbook Kompass für die Multikrise“. Einen Überblick über das Trendbook gibt dieser Artikel. Sie können es außerdem direkt kostenlos herunterladen.

Digitalisierung im Mittelstand

Wie ist die Lage der Digitalisierung im Mittelstand? Mit welchen Themen beschäftigen sich die Unternehmen in erster Linie?

Die Multikrise verlangt viel Aufmerksamkeit. Die Abhängigkeiten in der Lieferkette sind groß, die Komplexität auch. Es gibt hier leider keine einfachen Wahrheiten. Niemand kann genau sagen, was richtig ist. Das überfordert viele Mittelständler, aber auch die Politik. Das zeigt sich vor allen Dingen an den beiden wichtigsten Themen in der Chefetage: Inflation und steigende Kapitalkosten.

Unternehmen im Mittelstand haben Schwierigkeiten, ihre Kosten an die Kunden weiterzugeben. Vor allem durch die Digitalisierung sind die Nutzer daran gewöhnt, dass sie bei vielen Produkten mehr Funktionen für weniger Geld bekommen. Die aktuellen Preissteigerungen sind ein lange nicht gesehenes Phänomen, denn die Unternehmen müssen trotzdem ihre Preise anpassen, sonst geht die ökonomische Gleichung nicht auf.

Später lesen? Das vollständige Trendbook als kostenloses E-Book herunterladen.

In Krisen entstehen im Mittelstand neue datengetriebene Geschäftsmodelle

Hat die Multikrise wirklich nur negative Folgen für die Geschäftstätigkeit der Unternehmen im Mittelstand? Es heißt ja immer, dass in jeder Krise auch eine Chance liegt.

Im Grunde lieben deutsche Mittelständler Krisen. Sie sind für sie eine gute Gelegenheit, neue datengetriebene Geschäftsmodelle zu entwickeln. Dann bieten sie Lösungen an, die es bisher noch nicht gab, die aber gerade jetzt besonders gefragt sind.

Genau dieses Potenzial sehe ich. Die aktuelle Krise ist eine Chance, endlich die Digitalisierung im Mittelstand voranzutreiben und mit neuen Geschäftsmodellen die Art und Weise des Wirtschaftens zu verändern. Wir brauchen dringend eine echte Kreislaufwirtschaft. Sie kann aber nur mit digitalen Innovationen gestaltet werden. Das sind zum einen Technologien zur Erhöhung der Energieeffizienz und zum anderen Plattformen, mit denen Angebot und Nachfrage zusammengeführt werden.

Für den Mittelstand wird Nachhaltigkeit zum Leitbild

Auf welche Weise kann Digitalisierung im Mittelstand dabei helfen, die Nachhaltigkeit und die Resilienz gleichzeitig zu stärken?

Es führt kein Weg daran vorbei, in datengetriebene Geschäftsmodelle einzusteigen. Der erste Schritt: Mit Daten bessere Entscheidungen treffen. Die Unternehmen sollten alle ihre internen Daten mit makroökonomischen und anderen externen Daten zusammenführen, um die Komplexität der aktuellen Situation besser zu bewältigen.

Hier gibt es allerdings noch Defizite. Trotz des enormen Schubs durch die Pandemie ist die Digitalisierung noch nicht überall im Mittelstand angekommen. Viele Unternehmen haben dafür noch überhaupt keine Strategie. Die Corona-Erkenntnisse allein helfen nicht.

Die Unternehmen sollten sich auf jeden Fall mit zwei wichtigen Themen beschäftigen: Erstens wird Nachhaltigkeit zum umfassenden Leitbild, da sie auch Wettbewerbsvorteile sichert. Zweitens geht es um Resilienz gegenüber externen Faktoren. Ein wichtiger Hebel ist dabei die Rückverlagerung von Standorten. Beide Themen eröffnen neue Chancen für Zukunftsinvestitionen, etwa im Gesundheitssektor, in der Energiebranche und in der digitalen Infrastruktur.

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