Im Moment sieht so aus, als ob eine große Krise die andere ablöst: Pandemie, Störungen in der Lieferkette durch Konflikte mit China und der Angriff Russlands auf die Ukraine. Ein genauer Blick zeigt allerdings, dass vor allem Digitale Vorreiter aus dem deutschen Mittelstand zum Teil sehr resilient gegenüber diesen Krisen waren. Einer der Gründe dafür ist die Digitalisierung. Die Pandemie hat die digitale Transformation laut unserer Studie zu den Resilienzmeistern des Mittelstands in acht von zehn Unternehmen stark beschleunigt.
Dieser Beitrag ist ein Auszug aus der Studie „Die Resilienzmeister im deutschen Mittelstand“. Einen Überblick über den Inhalt gibt der Artikel Neue Studie: Die Resilienzmeister im deutschen Mittelstand. Sie können die Studie außerdem direkt kostenlos herunterladen.
Den Unternehmen geht es in erster Linie um die Rückkehr auf den Wachstumspfad. Sie richten ihre Digitalisierungsmaßnahmen auf drei wichtige Wertschöpfungstreiber: Customer Experience, Geschäftsprozesse und Produkte & Services. Viele Unternehmen haben dabei einen Fokus auf Produkte & Services. Sie nutzen Digitalisierung, um smarte Produkte zu gestalten und neue Märkte zu erschließen. Dabei entwickeln sie die smarten Services nahe am Kerngeschäft, um rascher Wettbewerbsvorteile zu erreichen. Viele Unternehmen haben zum Beispiel neue digitale Kundenerlebnisse geschaffen, etwa im E-Commerce, auf Kundenplattformen oder mit digitalen Services als Ergänzung zu bestehenden Produkten.
Smarte Transformation im Lager
So hat beispielsweise der Autozulieferer BPW Bergische Achsen KG ein intelligentes Ersatzteillager entwickelt. Das neue Geschäftsmodell basiert auf einem Lager-Container, der bei den Kunden aufgebaut wird. Die Mitarbeiter entnehmen die benötigten Teile; sie werden automatisch erfasst, abgerechnet und nachbestellt.
Jedes fünfte Unternehmen hat in der Pandemie nichts geändert – es war nicht notwendig. Diese Unternehmen sind bereits weit in der Digitalisierung und haben Rückenwind bekommen.
Die drei Transformationspfade der Digitalen Vorreiter
Mit Blick auf den digitalen Reifegrad unterteilen sich die Befragten in drei Cluster: Fortgeschrittene, Experten und Meister. Jeder dieser Gruppen lässt sich ein Transformationspfad zuordnen.
Der erste Cluster sind die digital Fortgeschrittenen. Ihre Zahl hat sich mehr als verdoppelt, von 14 auf 35 Prozent. Sie befinden sich typischerweise auf dem Einstiegspfad und nutzen Digitalisierung, um die Operational Excellence (OX) zu verbessern und darüber zusätzliches Wachstum zu erzeugen.
Im zweiten Cluster finden sich die digitalen Experten (33%). Sie sind auf dem sind auf dem Entwicklungspfad, schaffen neue digitale Kundenerlebnisse und zielen auf kundenzentrierte Innovationen.
Der dritte Cluster der Meister – also der digitalen Vorreiter, ist gegenüber 2020 stark auf ein knappes Drittel (31%) gewachsen. Die Unternehmen begehen bereits den Wandlungspfad und erzielen damit ein messbar höheres Wachstum. Sie transformieren das ganze Unternehmen mit ihren digitalen Kompetenzen, um parallel die OX zu verbessern und neue Services und Geschäftsmodelle zu entwickeln.
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Der Einstiegspfad: Digital Operational Excellence
Digital Fortgeschrittene konzentrieren sich auf Prozesse und Operational Excellence (OX). Sie entscheiden sich damit für die Neuausrichtung des Betriebsmodells und eine Ende-zu-Ende- Digitalisierung der Wertschöpfung bis zur Neugestaltung von Lieferketten. Hier entstehen – in gewissen Grenzen – neue Geschäftsmodelle als Nebenprodukt, doch die Digitalisierungsstrategie wird vorwiegend an Effizienzkriterien ausgerichtet.
Die Verbesserung der digitalen OX ist der Fokus einer Vielzahl der Unternehmen. Sie digitalisieren effizienzgetrieben und richten den Blick auf Automatisierung und Prozessdigitalisierung. Ein gutes Beispiel ist Brömmelhaupt, ein Fachgroßhändler für Consumer Electronics. Das Unternehmen hat früher das Internet bekämpft, statt es zu nutzen. Doch inzwischen ist der Geschäftsführung klar: „Wir wollen im Kopf ein Jahrhundert überspringen.” Deshalb nutzt es ERP und digitale Lagerlogistik.
Die beidhändige – gleichzeitige – Innovation im Betriebs- und Geschäftsmodell wollen ebenfalls zahlreiche Unternehmen erreichen. Sie ist entscheidend, um Geschwindigkeit aufzunehmen und die Handlungsschnelligkeit zu verbessern. Unternehmen erweitern OX und CX, indem sie Störerlebnisse in der Kundenreise beheben. Voraussetzung dafür sind digitale Prozesse.
Der klare Fokus auf Operational Excellence bewirkt, dass die Unternehmen mit Digitalisierung schneller, besser und effizienter werden. Wer diesen Entwicklungspfad verfolgt, zeigt erste Organisationsinnovationen, die sich auf das Betriebsmodell auswirken. Mit den wachsenden Digitalinvestitionen steigt auch die Prozesseffizienz. Das besondere Merkmal der Unternehmen auf diesem Transformationspfad ist die Handlungsschnelligkeit.
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Der Entwicklungspfad: Digital Customer Excellence
Digitale Experten richten ihren Blick auf Customer Excellence (CX). Im Fokus stehen neue Nutzenversprechen für die Kunden. Dafür ergänzen sie bestehende Kernprodukte mit digitalen Services oder erweitern das eigene Geschäftsmodell durch neue Produkte. Beispielsweise werden mit Onlineshop und Kundenportal im Bestandsgeschäft die Kundenloyalität erhöht und Up/Cross-Selling-Effekte realisiert sowie Wachstumspotenziale für das Neukundengeschäft erschlossen.
Neue digitale Kundenerlebnisse sind für sieben Prozent der Unternehmen wichtig. Im Fokus steht dabei die Neugestaltung des Kundenerlebnisses mit digitalen Touchpoints. So hat die Pietsch Gruppe, ein Fachgroßhändler für Haustechnik, den Online-SHK-Großhändler colons.de gegründet. Hier sind die Abläufe 100-prozentig digital inklusive der Rechnungsstellung.
Kundenzentrierte Innovationen gehen einen Schritt weiter. Das größte Segment (26%) der befragten Unternehmen nutzt diesen Weg. So werden digitale Plattformen wie Grohe X zum zentralen Ort des Markenerlebnisses. Andere erweitern den Kundennutzen in den digitalen Bereich, wie Cornelsen mit einer Lernstandsdiagnose plus Förderangebot in einer Webapp.
Mit der Konzentration auf Customer Experience schaffen die Unternehmen kundenzentrierte Innovationen, mit denen sie sich vom Wettbewerb absetzen können. Dabei geht der Fokus auf die Topline: Direkte und indirekte digitale Umsätze beschleunigen das Geschäft. Im Ergebnis leistet die digitale Wertschöpfung einen messbaren Wertbeitrag. Das besondere Merkmal der Unternehmen auf diesem Transformationspfad ist die Resonanzfähigkeit.
Abschluss und Regulierung: Schnell mit KI
Sachversicherungen sind Standardprodukte. Die Kunden legen Wert auf schnelle Abschlüsse und Regulierungen. Dies kann die Deutsche Familienversicherung mit Digitalisierung und KI garantieren: Abschlüsse innerhalb von drei Minuten, Schadenregulierung nach fünf Minuten.
Der Wandlungspfad: Digitale Vorreiter in der Transformation
Digitale Vorreiter transformieren das gesamte Unternehmen, um Zukunftsmärkte zu erschließen. Sie unterscheiden meist zwischen interner und externer Digitalisierung und arbeiten in einer Tandemstruktur von Operational-Excellence-Teams in den produktionsnahen Bereichen und Customer-Experience-Teams, die an der Kundenschnittstelle innovieren.
Elf Prozent der Unternehmen verlassen den reinen Produktverkauf. Ihre neuen (smarten) Services bieten Produktinnovationen mit Mehrwerten über das physikalische Produkt hinaus und binden dadurch die Kunden enger an sich. So bietet beispielsweise das Messtechnik-Unternehmen Wenzel die Inbetriebnahme der Geräte über eine Augmented-Reality-Datenbrille, mit der ein Techniker von Wenzel die Anwender beraten kann.
Die digitale Transformation des Geschäftsmodells geht einen Schritt weiter. 20 Prozent der Befragten wollen neue Produkt- und/oder Kundenmärkte mit digitalen Innovationen erschließen. Dabei verwandeln sich die Unternehmen langsam zu einem Software-Unternehmen: Software wird in vielen Produkten immer bestimmender.
Bei der Transformation der Geschäftsmodelle gibt es zwei unterschiedliche Methoden:
- Digitale Diversifizierung zeigt sich in unserer Studie als besonders erfolgreiche Methode. Sie bedeutet, unterschiedliche digitale Geschäftsfelder anzugehen. So hält sich der DuMont-Verlag bei der Digitalisierung des schrumpfenden Kerngeschäfts zurück und investiert in neue digitale Geschäftsfelder wie beispielsweise den Verkauf von Datenservices.
- Bei der Doppelstrategie der „Twin Transformer” gehen Digitalisierung und Nachhaltigkeit Hand in Hand. Im Moment beschreitet allerdings nur eine Minderheit der befragten Unternehmen diesen Weg.
Ein Netzwerk von Innovatoren
Ständige Weiterentwicklung nahe am Kerngeschäft ist das Geheimnis des Erfolgs von Pixum. Der Anbieter von Fotoprodukten ist bereits seit mehr als 20 Jahren auf dem Markt und bietet alles nur Erdenkliche für die digitale Fotografie: Von Fotobüchern bis hin zu Kaffeebechern mit Wunschfoto.
Bei Pixum sind alle Mitarbeiter ständig auf der Suche nach Innovationen. So ist das Unternehmen durch seine agile und anpassungsfähige Unternehmenskultur in der Lage, neue Produkte in wenigen Tagen und neue Geschäftsmodelle in wenigen Monaten von der Idee zur Verwirklichung zu führen.
Ansätze zu dieser Doppelstrategie sehen wir auch auf den beiden ersten Pfaden. Transparenz ist ein wichtiger Aspekt von Geschäftsmodellen, die auf Nachhaltigkeit setzen. Unternehmen gewinnen damit das Vertrauen der Verbraucher, senken Risiken und fördern verantwortungsvolle Lieferketten. Nachhaltige Ansätze tragen außerdem zu einer Steigerung der Agilität bei und besitzen Züge einer Effizienzstrategie, indem sie Ausgaben vermeiden und den Ressourceneinsatz optimieren.
Bei der Transformation des gesamten Unternehmens steht das digitale Geschäft im Zentrum der Wertschöpfung. Die Unternehmen haben einen klaren Fokus auf digitale Exzellenz. Die besonderen Merkmale der digitalen Meister sind Smartness und Entschlossenheit. Sie verlassen eingetretene Pfade und suchen Wachstum außerhalb des Kerngeschäfts.
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Die wichtigsten Ergebnisse der Studie haben wir in einer kostenlosen Infografik aufbereitet, die Sie hier herunterladen können.